Jan Schoenmakers ist KeinVerlag-Autor, regelmäßiger Teilnehmer der ZUSAMMEN/KUNST! und unser erster Interviewpartner in der neuen Rubrik 16 Fragen. Über sich selbst schreibt er:
“Ich bin ein umtriebiger mittelalter Mensch, der sein Leben auf das Kommunizieren gegründet hat – als Unternehmensberater, als Autor, als Musiker. Mit einer wunderbaren Frau – eine viel bessere Autorin übrigens als ich –, höchst ergötzlichen Töchtern, unglaubwürdig fantastischen Freunden und der festen, manchmal quälenden Überzeugung, dass das Leben hinter der nächsten Kurve noch viel mehr Lohnendes bietet. In einem Lied meiner Band EPHEMERE heißt es einigermaßen treffend:
‘I’m a man without a mission in a life without a sense, liberty is my conviction – and my fate and fashion hence’.”
16 Fragen an Jan Schoenmakers
Jan, wann stehen Sie morgens auf, wann gehen Sie abends schlafen?
Beides: höchstens so früh wie unbedingt nötig, mindestens so spät wie irgend möglich. Der frühe Vogel zerschellt an der Front des Fernlastzuges.
Wenn Sie eine Zeitung aufschlagen, lesen Sie zuerst den Sportteil oder das Feuilleton?
Den Sportteil, wenn ich einschlafen, das Feuilleton, wenn ich hysterisch lachen will. Da mein masochistischer Trieb gering ausgeprägt ist, überspringe ich in der Regel beides.
“Wirklich anspruchsvollen Menschen ist Glück gleichgültig, vor allem das der anderen.” (Bertrand Russell) Wie stehen Sie zu dieser Aussage?
Unsinn. Anspruchsvolle Menschen empfinden Glück nur oft anders – und bei anderen Erlebnissen. Dementsprechend wird es, wenn sie Andere beglücken wollen, oft nicht so empfunden. Jeder Mensch sucht Lust und Belohnung, und jeder Mensch ist ein soziales Wesen … zumal man auch anspruchsvoller Genießer oder Glücksritter sein kann. Der Mensch, den Russell meint, ist nicht der Anspruchsvolle – sondern der Fanatiker. Davon gibt es viele, in großer Bandbreite: von Mohammed Atta bis Steve Jobs.
Welche Genüsse gönnen Sie sich im Alltag? Welche sind für Sie besonders?
Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum – meinte Nietzsche, und hatte Recht. Ohne gutes Essen, elegante Drinks, Naturerlebnis und die tiefen Freuden menschlicher Nähe aber genauso.
Besonderer Genuss kann für mich nur in der Steigerung liegen – mehr von etwas oder eine erlesenere Ausprägung. Denn was einem wirklich wichtig ist, darf man nicht für die seltenen Stunden aufsparen, sondern sollte es konsequent in sein Leben integrieren.
Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen, wie hat es Ihnen gefallen?
Einen alten Abenteuerschinken von Clive Cussler, dem Helden meiner Jugend. Und der Zauber des als Thrillerautor getarnten Märchenonkels wirkt weiter – man erwarte weder „Literatur“ noch Glaubwürdigkeit, doch der Mann erzählt fabelhaft und bringt in seinen älteren Werken die Figuren so zum Leben, dass man meint, man kenne sie seit Jahren persönlich. Insbesondere aber verkörpert er jene Mischung aus Integrität, Starrsinn, Romantik, Rastlosigkeit und Schelmenhaftigkeit, die damals so sehr mein Bild vom Erwachsensein geprägt hat, dass Mister Cussler Katalysator war für einige meiner eigenen Züge.
Wer oder was inspiriert Sie und weshalb?
Menschen, die radikal ihren eigenen Weg (er)finden, ihren Träumen trauen und die Lächerlichkeit nicht fürchten. Sie erinnern mich täglich daran, wie ich mein Leben leben möchte.
Wie wichtig finden Sie Kontakte zu anderen Künstlern?
Um mit Jack Kerouac zu sprechen:
„Die einzigen Menschen, die mich interessieren, sind die Verrückten. Diejenigen, die verrückt danach sind zu leben, verrückt danach sind zu sprechen, alles auf einmal wollen. Die niemals gähnen oder Gemeinplätze von sich geben, sondern wie Wunderkerzen brennen, brennen, brennen.“
Das macht für mich Künstler aus – egal, ob sie Bilder malen oder Unternehmen gründen. Und das sind die Menschen, die mein Leben ausmachen.
Wie würden Sie Ihren typischen künstlerischen Schaffensprozess beschreiben?
Ein angeregter Zustand, in dem es in einem gärt, eine Inspiration, die einem wie ein Blitzschlag trifft, die Radikalität, alles andere stehen und liegen zu lassen, um diese Inspiration festzuhalten, und die Disziplin, in der Umsetzung dran zu bleiben und alle Register des Handwerks zu ziehen.
Wie viel Zeit wenden Sie täglich für Ihre Kunst auf?
Wir leben doch nicht in der Planwirtschaft.
Wie gehen Sie mit Schaffenskrisen um?
Wie mit allem Negativen, das man nicht ändern kann: Kommen lassen, nicht weiter bewerten, nicht bekämpfen, nicht festhalten, gehen lassen. Es sei denn, ich merke, dass die Krise aus einer Blockade kommt – dann: für ein paar Tage raus aus allem, in völlig andere Kontexte, ohne Plan. Und viel Bewegung.
Verfolgen Sie klare Ziele in Ihrer Kunst?
Wollte Kunst nichts ausdrücken, hieße sie Masturbation. Wollte Kunst eine Aussage ohne Ambivalenzen codieren, hieße sie Sprache. Kunst ist eine eigene Form von Kommunikation. Und wovon man nicht reden kann, soll man stammeln – oder schweigen.
Beschäftigen Sie sich mit Ihrem eigenen Tod?
Ich arbeite nicht absichtlich daran.
Woran glauben Sie und warum (nicht)?
Ich glaube an das Individuum, seine Resilienz und seine schöpferische Kraft. Und ich glaube daran, dass das Leben einen Weg findet – mit oder ohne einem. Und Glaube begründet man nicht, sonst wäre es kein Glaube.
Wann haben Sie sich das letzte Mal geschämt und wofür?
Ich versuche schon seit langem, mir jedwede Scham vor Anderen abzugewöhnen, und bin darin immer erfolgreicher. Der einzige, vor dem ich mich legitim schämen könnte, bin ich selbst – und das kommt glücklicherweise selten vor. Weshalb? Siehe Frage 6.
Wie wichtig sind Ihnen Manieren im Alltag?
Es kommt darauf an, was man darunter empfindet. Wenn jemand uneingeladen duzt, sich genüsslich an der Nase herumfummelt, zu laut spricht oder beim Essen die Hände nicht auf dem Tisch hat – ist mir das außerhalb von Sternerestaurants recht egal. Wenn Menschen aber anderen Menschen ohne Grund Höflichkeit und Respekt versagen und sich nicht an basale Regeln des Zusammenlebens halten, kann ich das nicht im Raum stehen lassen.
Welche Ihrer Eigenschaften sind Ihnen am wichtigsten?
Diese Frage beantworte ich grundlegend nur den Persönlichkeitstests in der Super Illu. Falls meine Kunst ein wenig taugt, sollte man es aus ihr herausfühlen können.
Vielen Dank für die Beantwortung der 16 Fragen, Jan!
Veröffentlichungen von Jan Schoenmakers
- Texte bei KeinVerlag.de: www.keinverlag.de/ephemere.kv
- Div. Beiträge in Sammelbänden, z.B. Lechner/Hoffritz (Hrsg.): „Ein Gedicht!“, Herder-Verlag 2015
- Journalistische Zwischenrufe, z.B. in Cicero und heise Telepolis sowie Fachartikel
- Musik: primär mit EPHEMERE und Grapeyard
- Fotografie: photo.janschoenmakers.de
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