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Constanze Thum – Tilde fünf oder: warum Überfälle auf Kleintransporter schlecht sind

„Den besten Sex meines Lebens hatte ich mit mir selber und einer Shampooflasche“, erklärt sie mir.
„Ich wollte eigentlich nur wissen, ob du noch einen Cuba Libre möchtest“, sage ich.
„In der Dusche“, fährt sie unbeirrt fort, „das war dann auch mein erster Orgasmus. Das nennt sich feministische Emanzipation, weißt du? Das ist wahre Freiheit.“
„Cool“, sage ich, „aber ich muss dann auch so langsam. Ich muss noch ein bisschen was machen.“
„Ich auch,“ sagt der Mann am Nebentisch und fängt an zu weinen. Vor ihm stapeln sich Ordner. Sein Laptop ist gerade ausgegangen.
„Hier“, sage ich und händige ihm meine Powerbank. Er starrt mich fassungslos an.
„Hast du dein Leben so sehr im Griff, dass deine Powerbank immer geladen ist?“, fragt er.
Ich zucke mit den Schultern und gehe.

Draußen regnet es. Wieder rein gehen will ich aber nicht mehr, da reden die Leute entweder über Sex oder Arbeit und das ist nicht so mein Thema.
Glück ist wie eine streunende Katze, überlege ich vor mich hin. Manchmal sucht sie dich auf, manchmal wirst du ignoriert. Heute Nacht werde ich definitiv ignoriert.
Am Waldrand meine ich einen Fuchs gesehen zu haben. Wie süß der mit seinem Hut aussieht, denke ich noch so bei mir, versenke die Hände in den Manteltaschen und laufe mit gesenktem Kopf und hochgestelltem Kragen durch den nächtlichen Regen. So macht man das nämlich, schreibt das Gesetz der guten Literatur vor.
Intimschatulle, nur Graustufen:
Am Hafen hat’s Sturmböen von 70 km/h.
Ein Schiff hier heißt Randolph Carter. Bin kurz amüsiert.
Seeadler gesehen.

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Constanze Thum – Die komischen Wege

Mein Vater fragt mich: wie sind denn deine Pläne, wegen Teistungen jetzt?
Das Grenzlandmuseum Teistungen sucht ’nen Kurator. Ein Job, den ich machen kann.
Ich fahr vorbei an Schäfchenwolken, Wäldern und wilder Landschaft, nur dann und wann durchbrochen von Feldern. Dörfer, in denen der Handyempfang schlecht ist, schmiegen sich an dunkelgrüne Hügel.

Meine Professorin sagte mir: das Eichsfeld ist der Landstrich mit den meisten Wallfahrten im Jahr. Europaweit. Bayern und Katalonien gucken blöd aus der Wäsche.
Wenn ich hier bin, denke ich oft über Heimat nach. Meine Schulfreunde ziehen alle hier her zurück, bauen Häuser, kriegen Kinder, haben das Eichsfeld im Blut, heiraten, zur Hochzeit gibt’s Stracke und Gehacktes, selbstgeschlachtet – das muss schon sein.
Ich bin hier geboren. Meine Eltern nicht. Die sind eingewandert – das macht sonst keiner. Nur Eichsfelder ziehen ins Eichsfeld, wenn sie mal weg waren, gehen aber meistens gar nicht erst fort, seit Generationen nicht. Das Nachbarsdorf ist hier manchmal schon zu weit weg. Deshalb haben alle ihre eigene Kirmes.

Wenn ich meine Eltern besuche, sage ich, ich fahre nach Hause. Ich sage das aber auch, wenn ich zurück in meine eigene Wohnung fahre. Vielleicht steckt nichts dahinter, vielleicht ist auch einfach beides „zu Hause“. Heimat ist da, wo die Katze auf dich wartet. Oder wo der Schlüssel nach zehn Jahren immer noch in die Haustür passt.

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Constanze Thum – Am Leben der anderen kann man sich angenehm wärmen

Ich bin tätowiert und trotzdem uncool. Daran ändern auch die vielen Festivalbändchen nichts, die bezeugen wollen, dass ich ein bekackter Hippie bin.
Manchmal trage ich einen Gott um meinen Hals; halb Stör, halb Mensch.
„Schreib was über Pottwale“, sagt er zu mir, „das kommt immer gut.“
„Nicht schon wieder“, entgegne ich und beschließe, etwas über das Leben zu schreiben.

Mein Kaugummi-Papier will Wahrheit oder Pflicht spielen. Ich nehme Wahrheit: „Welche Sache auf der Welt gibst du vor zu mögen obwohl du sie eigentlich gar nicht leiden kannst?“
Menschen!, denke ich sofort und forme das Papier zu einem Knüll. Erschrocken halte ich inne.
War das jetzt zu harsch, zu radikal?, frage ich mich. Ich habe keine Antwort parat, stricke an der Lösung des Problems, lasse aber wie üblich eine Masche fallen.

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Constanze Thum – Nein, da steckt nichts unter meiner misanthropischen Fassade. Aus der Reihe: Ich will doch einfach nur schlafen

Ich kann dich ich-bin-so-sensibel-und-einfühlsam-Menschen nicht leiden. Du kommst dann immer mit deinem „Also ich kann’s jetzt nur so intuitiv sagen, aber ich glaube, du bist eine ganz warme und offene Person.“
Nein, man, bin ich nicht.
Ich kann die meisten Menschen ja nicht mal leiden, dich schon gar nicht, geh weg.
Du denkst, du wüsstest, wie ich ticke, weil du mal zwei Stunden Wein mit mir getrunken hast. Aber du weißt ’nen Scheiß. Und dann sagst du sowas wie „Boah du bist so kreativ, ich bin auch kreativ, ich male immer intuitiv, weißt du, ich will das auch gar nicht können oder üben, ich mach das nur für mich, so aus mir raus, hier guck mal:“
Ja, deshalb sieht’s eben auch kacke aus, weil du keinen Anspruch hast, nicht mal an dich selbst. Ist doch peinlich. Geh weg.
Ich kann nicht tanzen und will auch nicht.
Ich kann singen aber will nicht.
Hör auf, mich mit deinem Enthusiasmus anstecken zu wollen und spar dir dein „ach komm schon,  mach mit!“ Ich bin nicht schüchtern, ich hab einfach keine Lust. Ich bin nicht introvertiert, ich bin einfach nur ein Arschloch. Also geh weg.
Du findest mich nett, weil ich „Bitte“ und „Danke“ sage und verwechselt Anstand mit Interesse. Ich will deine Handynummer nicht, ich will nicht einmal deinen Namen kennen. Du könntest von mir was lernen, ernsthaft, aber stattdessen willst du in meine Seele schauen oder so ein Scheiß. Das ist keine Arroganz, das ist ein akademischer Grad: ich weiß wirklich mehr als du.
Du sagst, du bist ein Herzmensch und das ist bestimmt ’ne gute Sache. Aber ich bin ein Kopfmensch und das hier, das ist meine Sache.
Also geh weg.

Constanze Thum

16 Fragen an Constanze Thum

16 Fragen an Constanze Thum

Constanze Thum: Ich mag Zombies, kleine Kätzchen und White Russian. Mein liebstes Hobby ist es, auf langen Autofahrten still zu sein. Hitze kann ich nicht ausstehen. Auf meiner Hüfte habe ich eine kleine Narbe. Bei zu viel Sonne werde ich aggressiv. In einem Portugalurlaub vor vielen Jahren hat mir ein Stein die Hüfte bis zum Knochen aufgeschnitten. Die Frau in der Reinigung vergisst immer meinen Namen – sie nennt mich „das Mädchen mit den lustigen T-Shirts“. Bei den Bekannten meiner Oma gelte ich immer als sehr brav. Ob ein Glas halbvoll oder halbleer ist, kann ich nie entscheiden. Abitur, meine ersten Jobs und ein Masterstudium habe ich bereits hinter mir. Bin nie wirklich irgendwo angekommen, aber hab’s auch nicht versucht – bin Autor, Künstler, Tagedieb und das ist okay.

Publikationen: Ich hab ein E-Book; guckst du hier: Vampir, Nachzehrer, Draugr.: Der Einfluss der Wiedergängerfurcht auf die Bestattungskultur.

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