von Jan Hemmerich
Leselust/ Lesefrust, oder: Tagebuch eines anonymen Staplers
Bücher verursachen gelegentlich Stress. Insbesondere, wenn sie ungelesen sind.
Ungelesene Bücher sind Rudeltiere. Zumindest bei mir stapeln sie sich auf allen möglichen, freien Flächen und werden nicht weniger. Sie stapeln sich meistens nicht in dunklen Ecken, wo man sowieso nie hinschaut, sondern sind ganz präsent: auf dem Nachttisch zum Beispiel.
Der letzte Blick vorm Einschlafen macht einem also direkt bewusst: Du lässt nach! Wann willst Du das bitte alles lesen? Stress.
Morgens, wenn der Lesestapel in das goldene Licht des neuen Tages getaucht ist und irgendwie weniger furchteinflößend aussieht, flackert kurz Euphorie auf:
Heute! Heute wird mal direkt ein Buch beendet und ein neues mindestens bis zur Hälfte gelesen.
Beim Frühstück ist es dann unpassend, da will man zwar lesen, aber auch keine Marmelade auf die Buchseiten schmieren. Und sowieso: Lieber sich auf eine Sache voll und ganz konzentrieren. Der Weg zur Arbeit bietet sich zwar an, aber ein Buch beschwert den Rucksack doch empfindlich und eigentlich ist es im Zug auch viel zu laut.
Bei der Arbeit: Perfekt! Die Kollegin am Schreibtisch nebenan wird nur schnell misstrauisch. „Liest Du etwa?“ „Ja, ist Fachlektüre.“ „Wann schrieb Raymond Chandler über die Werbebranche?“ „…“
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