Schlagwort-Archive: Christiane Portele

Christiane Portele – Für den Frieden

Gegen die Raketen
Vögel, die den Himmel mit Gesang erfüllen
Gegen die Gewehre
Rehe, die sich schüchtern aus der Deckung wagen
Gegen die Panzer
Schmetterlinge, die in der Sonne tanzen
Gegen die Zerstörung
Rosen, die sich über Trümmer ranken
Gegen den Hass
tröstende Umarmungen
Hände, die sich ineinander verschränken
sanfte Worte
Liebe, in die wir uns fallen lassen können
über alle Grenzen hinweg
Gegen das Töten
die Unschuld der Kinder
das Vertrauen, dass die Menschlichkeit alle Kriege überlebt


Hier geht es auch zu den 16 Fragen an Christiane Portele.

Christiane Portele – Die letzte Schlacht um Schertva

Der Verteidigungsrat der Stadt hatte sich versammelt. Es war eine bescheidene Anzahl von Soldaten, die sich in mehr oder minder gutem Zustand eingefunden hatte. Der Major, ein betagter Kämpe, mit ungeschnittenen struppigen Haaren und einem wilden Bart, bekleidet mit einer mehrfach zusammengeflickten Hose in Tarnfarben und einem alten dunkelblauen Militärmantel, baute sich vor seiner kleinen Truppe auf und erhob seine müde Stimme: „Tapfere Kameraden! Ihr habt mutig und unter Einsatz eures Lebens stets die Stadt verteidigt! Ehre dem Vaterland!“

Ein Chor erschöpfter Stimmen antwortete ihm: „Ehre dem Vaterland!“

„Es ist uns gelungen, sie gegen alle Angriffe zu verteidigen! Die Lage, die sich uns jetzt bietet, ist jedoch prekär, um nicht zu sagen“, er zögerte kurz, bevor er energisch fortfuhr, „verzweifelt!“

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Christiane Portele – Spiel mit dem Feuer

„Ich bin hochsensibel!“
„Die Frage war, was ihre Stärken und Schwächen sind. Bitte präzisieren Sie ihre Antwort“, werde ich aufgefordert.
„Mein Antwort war sehr präzise“, erwidere ich, „meine ausgeprägte Empathiefähigkeit ist meine größte Stärke und meine größte Schwäche zugleich!“
„Das müssen Sie uns jetzt bitte erläutern!“, meldet sich die andere Stimme zum ersten Mal zu Wort.
„Ich kann mich in mein Gegenüber hineinfühlen, fühlen was er oder sie fühlt, empfinden, was er oder sie empfindet. Das erlaubt mir, Rückschlüsse darüber zu ziehen, wie mein Gegenüber möglicherweise reagieren wird. Gleichzeitig drängt mir diese Fähigkeit geradezu alle Emotionen meines Gegenübers auf, die es als sehr stark und überwältigend empfindet. Wenn ich mich dagegen nicht abgrenze, kann dies dazu führen, dass es mich am logischen Denken und damit an einer objektiven Analyse der Situation hindert. Das Abgrenzen muss rechtzeitig geschehen und erfordert ein hohes Maß an Disziplin und Energie.“
„Beeindruckend“, lautet der etwas trockene Kommentar der ersten Stimme. Ich spüre, dass da eine Ironie mitschwingt, eine gewisse Ungläubigkeit. Dass sie sich nicht sicher ist, ob sie das glauben soll.

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Christiane Portele – Gedankenplätschern und Gedankenflüge

Wenn sie an einem dieser diesigen Frühsommertage aufs Meer sah, so schien die Horizontlinie zu verschwimmen, die Grenze zwischen Wasser und Luft sich aufzulösen, Meer und Himmel ineinander überzugehen. Wie auf einem Gemälde, wenn ein feiner Strich immer blasser wurde und irgendwann nicht mehr zu erkennen war. Die Farbschattierung näherte sich zu dieser nicht mehr vorhandenen Linie hin aneinander an, wurde zu einem gemeinsamen Farbton. War der Himmel pastellfarben, ein weiches, wässriges Blau, das Meer hingegen ein kräftiges Türkis, so schien der Himmel zum Meer hin kräftiger, das Meer zum Himmel hin feiner zu werden, bis sie sich vermengten, zu einer Farbe verschmolzen.

Sie stellte sich dann vor, wie Luft und Wasser zu einer Masse, einer Mischung wurden, einen Aggregatszustand teilten, ineinander zerflossen, nicht mehr Flüssigkeit noch Gas, ein einheitliches Gemenge. Vielleicht jedoch wirbelten auch ganz feine Tröpfchen mitten durch die Luftmoleküle hindurch. So fein, dass alles wie eins erschien.

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Christiane Portele – Malaika

Manche Tage sind wie wilde Strudel. Ich spüre den Sog, der mich in einen schwarzen Schlund hinabzieht. Ich versuche, dagegen anzukämpfen, doch ich bin wie gelähmt. Meine Glieder verweigern mir den Dienst. Ich weiß, wenn es mir nicht gelingt, dem Sog zu entkommen, dann ist es aus mit mir. Dann werde ich verschluckt. Verschluckt von meiner Trauer.

Noch habe ich nicht aufgegeben. Doch ich weiß nicht, wie lange ich noch durchhalte. Der Schmerz presst mir die Luft aus den Lungen, raubt mir den Atem.

Ich bin so unendlich müde. Ich sehne mich so sehr nach Schlaf. Doch jedes Mal, wenn ich die Augen schließe, sehe ich Malaika vor mir, mein Engelchen, meine kleine Elfe, die mich mit ihren großen Rehaugen anschaut. So viel Sehnsucht nach Leben im Blick. So viel Vertrauen zu mir, ihrer Mama. Und ich kann nichts tun, als ihre Hand zu halten und sie zu begleiten.

Ich saß bei ihr, bis sie ihren letzten Atemzug tat. Und noch viel länger. Ich wollte ihre Hand nicht loslassen. Es fühlte sich so an, wie wenn mir mit ihrer Hand auch mein Herz entrissen würde

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