Schlagwort-Archive: Bastian Kienitz

Bastian Kienitz – Die Artistin

(nach dem gleichnamigen Bild von Ernst Ludwig Kirchner)

dein Blick streift durch die Zimmerleere
der Einsamkeit, ganz ohne Publikum
durchschneidest du die grüne Lichttapete
und Schnittmenge, die einen Anker sucht

verortet zwischen Raum und schrägen Fluchten
begradigt mittlerweile durch das Nichts
das feinen Staub ansammelt und dort liegt
wo es vergessen wird, im Ungenutzten…

jetzt träumst du dich in einen Augenblick
dahinter, wo der Wein von letzter Nacht
am alten Platz in deinem Zimmer steht

nur deine Katze streckt bereits verschlafen
die Glieder aus und legt sich wieder hin:
ich tröste dich – mein Stern – und das Gedicht


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Bastian Kienitz – Composition (Rolf-Bossert-Gedächtnispreis 2022)

Heute haben wir die große Ehre, euch den Gewinner des diesjährigen Rolf-Bossert-Gedächnispreises zu präsentieren: Bastian Kienitz! Den aufmerksamen Lesern unter euch mag aufgefallen sein, dass wir auf den 16 Seiten bereits mehrere Beiträge von Bastian Kienitz gepostet haben. Heute einer der Gewinnertexte, ein Blankosonett.

Composition
(nach dem gleichnamigen Bild von Hans Hartung)

im Wind, der durch die leeren Weizenfelder
streift auch dein Tag und ändert sein Gewand
was heute ist, das gibt es morgen nicht mehr
und alles schläft im roten Wald und lebt

wie Geister, die ich rief zur Dunkelstunde
entflieht dem Boden letzter Winterschnee
noch heute schneit es helle Nachtleuchtfarben
als refraktärer Bruch im Farbgemisch

hier heult ein Wolf in dieser Todeszone
und wirft sein Schattengrau durchs Waldgestrüpp
des Birkenwaldes, welcher flüsterleise

das Märchen einer neuen Zeit erzählt
als wäre Unberührtes dort gewesen
das seine Hände still in Unschuld wäscht


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Bastian Kienitz – casino royal

erst zog sie den Herzbuben aus der Tasche, dann zog sie mich aus:

mit ihren warmen Blicken und den leichten Malen an den Brüsten,
so dass ich alles was darunter lag erfassen konnte. versuchte ich
mich zu konzentrieren,
ertrank ich in den schmelzenden Eisbergen, die sich vor mir auf-
taten, um wenig später festzustellen, dass ich den nächsten Blind
verlor.

                                                Zug um Zug. bis alle Karten offen lagen.


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Bastian Kienitz – Alles fließt V

Am Fluss, wo die Dünen und meine Gedanken…
versandet der Raum auch ohne die Schranken,
fast wasserfallartig durch Tosen der Zeit
mit Baumreflektionen am Leben verzweigt

und stößt an die Grenze und malt uns ein Bild,
verworren, bizarr, wie in Nebel gehüllt,
steigt auf und verweilt einen kurzen Moment
inzwischen als Geist, der kaum Festes erkennt,

um dann auf der Fläche verschwommen zu wirken
und ich nebenan hör das Rauschen der Birken.
Sie lehnen sich an, mit dem Wasser voraus
zerfließe auch ich im gesamten Verlauf.


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Bastian Kienitz – Nachtlider

Himmel, du

In meinem Himmel ist es rot gefärbt:
vom roten Mohn, der auf den Feldern liegt.
Ich zupfte ihn mit dir. Was daran blieb
brach in der Nacht am regennackten Herz,

ins Licht gelöst, dann gab ich dir die Hand.
-die sich ein kleiner Junge zügig nahm-
Ich weiß nicht mehr wie er zur Pforte kam,
verwischte Schemen habe ich erkannt …

Dahinter

dann kamen Tage wie der Herbst. Im Regen
ging auch das letzte Feld den Weg zum Schlaf.
Das Blatt, es fiel hinein ins kleine Schweben,
umarmt vom erdennahen Traum und brach

auf meinem Regenschirm. Die nasse Kleidung
verband sich mit dem trägen Feld. Es lag
ein leichter Nebel in dem Traum vom Leben,
dahinter war der Pfad vom Regen nackt …

Erntezeit

wie Sonnenlicht aus Traum das kalte Wasser,
geschälte Äste fremder Phantasien.
Den Weg geht heute niemand, hinterm Feldein
verwandelt sich die Landschaft und wird Wald:

zum schmalen Weg gebogen in die ganze Weite
zerbricht die Hülle scheu den schwarzen Wolf.
Das Reh wiegt seinen Ruf im Augenlichte
und treibt die wilde Liebe in das Heu.


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