Es sind die Toten, die den Lebenden die Augen öffnen.
(aus Katerina Poladjan: Hier sind Löwen. Roman, Frankfurt a.M., 2019)
kaukasische verse strömen durch unseren garten
wir zählten walnüsse mandeln aprikosen
häuften sie zu seltenen erinnerungen gefühlen
die uns überkamen beim anblick ausgetrockneter flussbetten
nur an den quellen in den bergen
führten die flüsse wasser in den weiten ebenen
den städten fielen sie trocken
wir zählten granatapfelkerne am himmel flugzeuge
häuften sie zu stimmen unserer ahnen
die erzählten vom meer
dem die flüsse keine wasser brachten sondern leid
und flüsterten von kämpfen und kriegen
und sprachen vom meer
walnuss mandel aprikosenbäume säumten die straßen
als wir hinausfuhren aus der stadt in die dörfer
sangen die gräser traurige lieder
weinten die mönchsgrasmücken die trauermäntel mit ihnen
stimmten wir ein in gesänge aus einer alten zeit
der wind ging kalt
durch die wälder zogen manifeste
minenräumkommandos
suchende findende blicke von liebespaaren
die sich trafen unter den zweigen der wilden aprikosen
das wetter war wie geschaffen für vogelmenschen
für das korn auf den feldern das sich wiegte
in unseren armen
die wir ausbreiteten zu flügeln
über landschaften flogen vergangenheiten
wir lagen nebeneinander
unsere federkleider raschelten bei jeder berührung
nachdem der regen aufgehört hatte
erhoben wir uns und schritten majestätisch
dass sie uns schützten vor unseren schmerzen
in der ferne erschien der ararat im schnee
manchmal träume ich davon
dass noah am ararat vorbei fährt
auf der suche nach einem besseren platz
(aus: Werner Weimar-Mazur: vivisektionen. Gedichte. Edition Offenes Feld (Hrsg. Jürgen Brôcan), Dortmund, 2022)
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