Archiv der Kategorie: Leselust/Lesefrust

Richter und Henker zugleich

Leselust/Lesefrust: Was habt ihr denn erwartet?

von Alina Becker

Er ist wieder da. Aus den unendlichen Bücherhallen in der Heiligen Stadt Köln auf direktem Wege weiß gewandet ins ebenso weiße Paradies, das furchtbar langweilig wäre, gäbe es da nicht die Möglichkeit „schlechte, missratene, ja vollkommene (sic!) miserable Bücher“[1] zu analysieren und zu verreißen. Was auf den ersten Blick wie ein Upgrade wirken mag, ist nichts weiter als der neueste, umstrittene Streich des SWR und des vor allem als Literaturkritiker bekannten Denis Scheck: Schecks Anti-Kanon.

Das Format ist kurz erklärt: Scheck, in optischer Anlehnung an Morgan Freemans Gott-Interpretation in Bruce Allmächtig, thront in einem weißen Studio vor vollen Bücherregalen mit nach hinten gedrehten Buchrücken und mokiert sich drei bis sechs Minuten lang in gewohnter Druckfrisch-Manier über ein literarisches Elaborat seiner Wahl. Zum Abschluss dann der Fingerzeig Gottes und ein Lichtblitz, der das geschmähte Werk nicht nur in Flammen aufgehen lässt, sondern gleich vaporisiert. Fahrenheit 451 plus. Die Auswahl der Werke: bestenfalls mäßig interessant.

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Die Last mit der Leselust: Tsundoku

von Alina Becker

Ich habe ein Problem, und dieses Problem teile ich vermutlich mit sehr, sehr vielen Menschen. Es ist gesellschaftlich derart akzeptiert, dass einige Kulturen dafür gar einen eigenen Ausdruck kennen. Die Japaner nennen dieses Problem „Tsundoku“. Damit gemeint ist das Phänomen, „[e]in Buch ungelesen [zu] lassen, nachdem man es gekauft hat, und es zu den anderen ungelesenen Büchern [zu] legen.“[1] Mangels eines adäquaten deutschen Begriffs nenne ich mich wider aller politischen Korrektheit meist schlicht einen Büchermessie.

Nun gibt es sicherlich schlimmere Formen des zwanghaften Hortens. Die Tierhortung, beispielsweise. Bücher braucht man nicht zu füttern, sie koten und haaren nicht, und einen unangenehmen Geruch sondern sie nur ab, wenn man sie zu lange in abgegriffenen, muffigen Kartons auf einem Dachboden vor sich hin gammeln lässt. Und im Gegensatz zu Hardcore-Preppern stehen Bücherhorter nicht irgendwann vor dem Problem des abgelaufenen Mindesthaltbarkeitsdatums. Bücher altern und reifen mehr oder weniger gut, aber schimmlig werden sie nur im Feuchtigkeitsfall.

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Leselust/Lesefrust? Tagebuch eines anonymen Staplers

von Jan Hemmerich

Leselust/ Lesefrust, oder: Tagebuch eines anonymen Staplers

Bücher verursachen gelegentlich Stress. Insbesondere, wenn sie ungelesen sind.

Ungelesene Bücher sind Rudeltiere. Zumindest bei mir stapeln sie sich auf allen möglichen, freien Flächen und werden nicht weniger. Sie stapeln sich meistens nicht in dunklen Ecken, wo man sowieso nie hinschaut, sondern sind ganz präsent: auf dem Nachttisch zum Beispiel.

Der letzte Blick vorm Einschlafen macht einem also direkt bewusst: Du lässt nach! Wann willst Du das bitte alles lesen? Stress.

Morgens, wenn der Lesestapel in das goldene Licht des neuen Tages getaucht ist und irgendwie weniger furchteinflößend aussieht, flackert kurz Euphorie auf:

Heute! Heute wird mal direkt ein Buch beendet und ein neues mindestens bis zur Hälfte gelesen.

Beim Frühstück ist es dann unpassend, da will man zwar lesen, aber auch keine Marmelade auf die Buchseiten schmieren. Und sowieso: Lieber sich auf eine Sache voll und ganz konzentrieren. Der Weg zur Arbeit bietet sich zwar an, aber ein Buch beschwert den Rucksack doch empfindlich und eigentlich ist es im Zug auch viel zu laut.

Bei der Arbeit: Perfekt! Die Kollegin am Schreibtisch nebenan wird nur schnell misstrauisch. „Liest Du etwa?“ „Ja, ist Fachlektüre.“ „Wann schrieb Raymond Chandler über die Werbebranche?“ „…“

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Leselust oder Lesefrust? Die Ästhetik der Bücherregalo(r)gie

von Alina Becker

Die skurrilen Umstände bringen es mit sich, dass im Moment eine Menge Leute sehr viel Zeit haben, was sich in zahlreichen Ratgeberbeiträgen (ob im Fernsehen, in Zeitungen, als Blogbeiträge oder vollkommen ungewollt in Kettenbriefform über Muttis unzählige Whatsapp-Kontakte) niederschlägt. Nachdem ich sämtliche Ratschläge zur achtsamen und produktiven Nutzung der coronabedingten Isolationszeit umgesetzt, also den Frühjahrsputz hinter mich gebracht, eine dreistellige Anzahl Atemmasken genäht, eine neue Sprache gelernt, meinen Bikinibody perfektioniert, meinen Erstlingsroman vollendet und mich quer durch den Bocuse gekocht hatte, wurde es wieder Zeit für ein bisschen Realismus und Entspannung mit Youtube.

Entspannung? Wer hofft, beim hemmungslosen Passiv-Youtuben abschalten zu können, ohne ständig mit unterschwelligen Erinnerungen an seine eigenen Unzulänglichkeiten konfrontiert zu werden: Pustekuchen. Nach stundenlangem wildem Hin- und Herspringen zwischen verschiedenen Videos landete ich auf einem Clip, in dem ein nicht nennenswerter Influencer über ein nicht nennenswertes Thema schwadronierte – und zwar vor einem Bücherregal (IKEA, weiß, vermutlich Billy), das durch atemberaubende Ordnung, ja, man könnte fast sagen: Schönheit bestach. Ich brauchte eine Weile, bis mir klar wurde, was diesen (sicherlich ganz zufällig gewählten) Bücherhintergrund ausmachte: Der Hipster hatte seine Bücher nach Farben sortiert!

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Leselust/Lesefrust

Lesefrust – Wann lege ich Bücher weg bzw. lese sie nie zu Ende?

von I. J. Melodia

Grundsätzlich möchte ich jedes Buch zu Ende lesen. So handhabe ich es auch mit anderen Medien wie Filme oder Musikalben. Zum einen weiß man nie, ob nicht doch noch die große Überraschung, Wendung oder Passage kommt, die einen fesselt. Zum anderen gehört es in gewisser Weise dazu, kreativen Geistern eine Chance zu geben, und ist, zumindest für mich, eine Form der Höflichkeit oder des Respekts gegenüber dem/der Kunstschaffenden. Es wird ein Gedanke, eine Idee dahinter gewesen sein.    

Und ja, es ist manchmal eine Quälerei und ja, es gab selbstverständlich auch bei mir schon Ausnahmen.

Ich werde bewusst darauf verzichten Namen oder Titel als Beispiele zu nennen. Auch hier geht es um die Achtung vor der Kunst. Und ein kleines Bisschen um die Angst vor etlichen Hasstiraden.

Die (Haupt)gründe, weshalb man ein Buch weglegt, dürften 5 sein:

  1. Thema/Genre
  2. Handlungsstrang
  3. Schreibstil
  4. Charaktere
  5. Subjektives Empfinden
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