Archiv des Autors: Renan Cengiz

Owald – Du schläfst.

Owald – Du schläfst.

Du schläfst

von Owald

Du schläfst. Ich sitze neben dir und schaue.
Ein Traum nimmt zuckend Platz auf deinen Lippen,
läßt sanft dann deine Nasenflügel wippen
und wandert höher, bis zur linken Braue,

die, gleichfalls bebend, von dem Leben kündet,
das hinter deiner Stirne pulst und flimmert.
Ich schließe meine Augen, und es schimmert
noch immer, ja, es scheint, daß es mich findet.

Und kurz, ganz kurz nur darf ich darauf hoffen,
vereint mit dir im Traume zu verweilen,
doch bald ist es vorbei mit meiner Ruh:

Das Fernsehn ist noch an, das Fenster offen.
Die Lampe brennt, ich hänge in den Seilen.
So steh ich nochmal auf und deck dich zu.

 

Wortsucht – Der Anzug

Wortsucht – Der Anzug

Der Anzug

von Wortsucht

Weil die Verwandten mehr Zeit im Spital als zu Hause verbringen, muss ich mir langsam ernsthaft Gedanken machen, was ich zur nächsten Beerdigung anziehen könnte. Naheliegend der klassische Anzug. Aber, als modebewusster Mensch will man sich trotzdem von der Masse abheben. Deshalb machte ich mich auf die Suche nach einer Alternative.

Ein Tag Shopping brachte folgende Erkenntnis: Mit genügend Kleingeld kann man sich sehr schöne Anzüge kaufen. Bloß: So wirklich einzigartig sind sie dennoch nicht.

Shopping für Männer – Im Internet, das könnte eine Alternative sein. Dachte ich zumindest. Nachdem ich mich auf der ersten Plattform bis auf den Zentimeter genau geoutet hatte, aber nicht einen einzigen Preis oder ein Kleidungsstück zu Gesicht bekam, hätte ich meine Telefonnummer angeben sollen. Wozu?  Damit mich eine knapp zwanzigjährige Lea anruft, um meinen Kleidergeschmack anhand meiner Stimme zu erkennen?

Ich habe meinen Anmeldevorgang abgebrochen und überlegt: Ein Mann braucht keine Shoppingberatung – ein Mann macht es selbst!

Dank Google und Internet alles kein Problem.

Mit dem fertigen Anzug vor Augen, begab ich mich in den größten Stoffladen, den ich finden konnte.

Es war recht einfach: Die bunten Stoffe konnte ich unbeachtet lassen. Apfelgrün und Altrosa steht mir nicht, selbst wenn Lea etwas anderes aus meiner Stimme hören würde. Schließlich blieben mir schwarze, braune, graue, weiße, violette, karierte, gestreifte, gemusterte und gepunktete Stoffe zur Auswahl. Weil ich mich nicht sofort entscheiden konnte, nahm ich mir eine größere Anzahl an Stoffballen mit. Wäre ja auch zu blöd, wenn ich meinen Schneiderkünsten Einhalt gebieten müsste, nur weil ich dann genau diesen oder jenen Stoff nicht gekauft hätte.

Ach ja: Bereits jetzt hätte ich mir für das gleiche Geld mehrere Anzüge und Lea kaufen können …

Und dann folgte erst das Kleinmaterial. Knöpfe, Reißverschlüsse, Faden in allen Farben und Stärken, Nadeln, Scheren, Stifte, Bordüren, Abschlusskanten, Schnittmuster, Maßbänder, Schneiderpuppen, Nähmaschinen mit Schmiermittel, Spezialwerkzeugen, Füßchen, Spulen und hundertjährigen Serviceverträgen … Außerdem wurde mir geraten, eine Overlockmaschine dazu zu nehmen. Selbstverständlich mit dem gleichen Zubehör wie für die beiden normalen Nähmaschinen.

Als ich mich nach den Einstellmöglichkeiten erkundigte, wurde mir das 1.300-seitige Handbuch in 25 Sprachen in die Hand gedrückt. Eigentlich wollte ich meine Zeit mit Nähen und nicht mit Lesen verbringen. Und schon gar nicht mit dem autodidaktischen Lernen von Japanisch und Suaheli. Nun gut, es wird mir auch nicht schaden, wenn ich das auch noch kann …

Möglicherweise wäre mir die Kommunikation mit dem netten Lastwagenfahrer leichter gefallen, der mir meinen Einkauf nach Hause lieferte, wenn ich eine weitere Sprache beherrscht hätte. Und vielleicht hätte ich dann auch nicht einen ganzen Tag damit zugebracht, all die Dinge alleine Quer durch das Dorf in meine Wohnung zu tragen.

Schließlich konnte ich loslegen und unermüdlich schnippelte, stickte, nähte, änderte und korrigierte ich an meinem Anzug herum. Immer wieder musste ich mir Videoanleitungen anschauen (mir wurde allmählich auch bewusst, warum japanisch so wichtig war) und ich bestellte mir eine Anzahl Bücher zum Thema. Schnitt neu aus, passte an und setzte dieses und jenes zusammen. Kürzte weiter und nähte an.

Und da liegt es nun vor mir, das Prachtstück. Es ist, wie soll ich sagen? Nicht ganz so herausgekommen, wie ich es geplant hatte. Zu einer Beerdigung werde ich es wohl kaum tragen können – aber mit ein wenig Hilfe und Unterstützung einer Fachperson, könnte daraus möglicherweise noch ein Stringtanga werden! Lea wäre bestimmt begeistert!

sandfarben – krähenlied. Foto: Gabriele Diwald

sandfarben – krähenlied

krähenlied

das lied der krähen im wind
und ein bisschen unglück
in der tasche
nachts weben wir liebe
mit grashalmen des letzten sommers
als ob nichts wäre
der winter ist noch lang
das flattern der flügelschläge in den bäumen
und das laute gekrächze
ängstigen mich längst nicht mehr

sandfarben

Frohes neues Jahr – frohe neue 16 Seiten

Die 16 Seiten ist eine Literaturzeitschrift, die satzungsmäßig vom KeinVerlag e.V. herausgegeben wird. In der Vergangenheit erschien sie ab 2004 zunächst als Printausgabe, später beschlossen die Vereinsmitglieder eine Neuauflage im Netz.

Dabei wurde das Konzept umgestellt: Bot die Printausgabe lediglich eine Auswahl von Texten aus dem Literaturforum KeinVerlag.de, versucht die Onlineedition ein breiteres Themenspektrum anzubieten: Kunst, Kultur, Politik, Soziales, Verschiedenes; innerhalb und außerhalb des Forums und des Vereines.

Die Neuauflage der 16 Seiten ist nun pünktlich zum Jahreswechsel vollbracht. Wir wünschen allen Interessierten viel Freude und mehr bei der Lektüre dieser Zeitung.

Die erste Ausgabe der 16 Seiten, Mai 2004.

Die erste Ausgabe, Mai 2004.

16 Fragen an I. J. Melodia

I. J. Melodia ist KeinVerlag-Autor, regelmäßiger Teilnehmer der ZUSAMMEN/KUNST! und unser sechster Kandidat für die 16 Fragen. Über sich selbst schreibt er:

16 Fragen an KeinVerlag.de-Autor und Grenzgänger I.J. Melodia.

16 Fragen I. J. Melodia

„Ich bin 1985 in Padua (Italien) geboren und wuchs in Padua, später im Schwarzwald auf. Seit 2008 lebe ich in Freiburg (Breisgau). Nach meinem Studium der Sinologie und Geschichte, wirke ich nun mehr in kunstschaffenden Bereichen.

Gedichte schreibe ich seit 2002 und seit 2005 bin ich auf der Autorenplattform KeinVerlag.de unter dem Namen „Melodia“ vertreten. Mittlerweile bin ich auch Vereins- und Vorstandsmitglied bei KeinVerlag e. V. sowie Redaktionsmitglied der Literaturzeitschrift 16 Seiten. In diesem Rahmen helfe ich auch bei der Organisation des Kulturfestivals ZUSAMMEN/KUNST!

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