16 Fragen an Dana Shirley Schällert

16 Fragen an Dana Shirley Schällert

Wir freuen uns, euch erneut jemand Neues auf den 16 Seiten vorstellen und wie immer erfolgt das anhand einer kleinen Selbstvorstellung und der 16 Fragen.

Viel Spaß beim Kennenlernen von Dana Shirley Schällert:

Ich habe in Bremen Germanistik, Philosophie, Kunstwissenschaft und Erziehungswissenschaften studiert, lebe inzwischen in der Nähe von Braunschweig. Eine meiner Berufungen ist das Ausbilden angehender Deutschlehrer*innen für das Gymnasium, damit also eine didaktische, als eine zweite, erlebe ich das literarische Schreiben.

Zu letzterer zu bekennen fiel mir deutlich schwerer, sodass ich erst seit ca. eineinhalb Jahren aktiv Lyrik und Kurzprosa veröffentliche. Meine Intention ist nicht nur das Aufgehen im Schreibprozess selbst (ein wunderbarer zweckloser Zweck der Selbstvergessenheit), sondern auch der Diskurs über Texte – mit anderen (zukünftigen) Literaturbegeisterten: Autor*innen, Schüler*innen, Lehrenden.

Publikationen in letzter Zeit in Dichtungring / [Kon-]Paper / Etcetera / Das Narr / &radieschen / Neolith / konfluence / Adventmosaik / im Doppelband „zugetextet“ in diversen Anthologien, im Radio 889fmkKultur und auf www.poesie.zyz. Zu finden bin ich im Netz unter www.dana-shirley-schaellert.de

16 Fragen an Dana Shirley Schällert

  1. Wann stehen Sie morgens auf, wann gehen Sie abends schlafen?
    A) Nur dann, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Täglich. B) Wenn die Vernunft stärker ist als die Lust daran, mal länger zu machen als 22 Uhr. 😉
  2. Wenn Sie eine Zeitung aufschlagen, lesen Sie zuerst den Sportteil oder das Feuilleton?
    Ersteren kenne ich nur vom Hörensagen oder als Unterlage aus dem Kunstunterricht, wenn mit Wasserfarbe gearbeitet wird.
  3. Wirklich anspruchsvollen Menschen ist Glück gleichgültig, vor allem das der anderen.“ (Bertrand Russel) Wie stehen Sie zu dieser Aussage?
    Bei diesem Ausspruch regt sich mein Widerspruch, an Spruch trägt er viel, an Wahrheit wenig; lasst mich den Fürspruch anführen, der sowohl dem einen als dem andern Glück verheißt, sodass es beiden gleich gültig sein mag.
  4. Welche Genüsse gönnen Sie sich im Alltag? Welche sind für Sie besonders?
    Für mich ist das Schreiben ein echter Genuss. Ich habe es so lange unterdrückt, weil ich meiner Schaffenskraft und meiner Stimme nicht traute, dass es mich nun geradezu erfüllt, mich diesem Bedürfnis einfach hinzugeben. Als wunderschön und genussvoll empfinde ich es aber auch, mit dem Hund in die Natur zu gehen, ihre Kreisläufe zu betrachten und ganz ruhig zu werden.
  5. Welches Buch/Album haben Sie zuletzt gelesen/gehört, wie hat es Ihnen gefallen?
    Das ist meine Chance, einmal laut herauszuschreien, wie wunderbar genial ich Henning Ahrens‘ „Glantz und Gloria“ finde. Nein, ganz ehrlich, ich habe es nicht als letztes Buch gelesen, gerade lese ich, absolut inspirierend und wahnsinnig klug, Ivan Illichs „Entschulung der Gesellschaft“. Glücklicherweise konnte ich das jetzt zumindest in einem Nebensatz unterbringen, bevor ich noch einmal alle Literaturinteressierten animieren muss, dieses Meisterwerk von Ahrens zu lesen, das auf wenig Seiten in wunderbar poetischer Sprache eine komplette Aushebelung von und zugleich Hommage an Schönheit, Wahrheit und Wirklichkeit vollzieht, zugleich eine scharfsinnige Gesellschaftskritik enthält, die auch noch unglaublich witzig ist. Ich habe es ca. fünfmal gelesen und dazu ein doppelt so dickes Notizbuch angelegt, das jede Menge Mindmaps zu seinen Sprachbildern und Motiven enthält. Einige Zeit lang gab es im Internet noch Produktionsannotationen mit Zeichnungen von ihm. Ich ärgere mich immer noch, dass ich es verpasst habe, das downzuloaden, bevor es aus dem Netz verschwand. Herr Ahrens, falls Sie das lesen sollten: Ich freue mich über Post! 😉
  6. Wer oder was inspiriert Sie und weshalb?
    Neben Henning Ahrens? Nun, meine Inspirationen sind absolut vielfältig. Was meine Sprachlichkeit angeht, sind es sicher Autoren und auch Künstler, die ich kenne und liebe. Die Frühromantiker, aber auch E.T.A Hoffmann, Kafka, von den Künstlern die Expressionisten in ihren Farbigkeiten und Formen. Für mein Figureninventar sind natürlich reale Begegnungen interessant, wobei ich da eher arbeite wie ein Caspar David Friedrich, der nicht draußen vor dem Baum saß, den er malte, sondern fiktive Landschaften konstruierte, die sich aus Gesehenem zusammensetzten. Das ist bei mir ähnlich. Und meine „unerhörten Begebenheiten“ (ich schreibe bisher keine Novellen, aber meistens dreht es sich in meinen Texten um derartige Vorfälle) verdanken sich Schnittstellen in meinem Leben, in denen ich realiter oder in Beobachtung mit irgendetwas kollidiert bin.
  7. Wie wichtig finden Sie Kontakte zu anderen Künstlern?
    Sie sind eine ungeheure Bereicherung. Nein, Entschuldigung, das klingt zu sehr nach Akkumulation und sehr kapitalistisch. Sie sind Anstoß, Anregung, Reibung – sie sorgen, bei aller Verschiedenheit, dafür, dass ich mich in meinem Schreibbedürfnis verstanden fühle. Und glücklicherweise hatte ich bisher keinerlei Begegnungen, die von Konkurrenzdenken und Missgunst geprägt waren – davor hatte ich erst Angst. Bisher nehme ich ganz viel gegenseitige Unterstützung wahr.
  8. Wie würden Sie Ihren typischen künstlerischen Schaffensprozess beschreiben?
    Wow. Zuerst ist da etwas Nebulöses, das sich mit der Zeit in meinem Kopf verdichtet, ein Spannungsfeld, etwas ganz Energetisches, das mich unruhig werden lässt. Und dann kommt manchmal ein Titel. Oder ein Anfangssatz. Oder mir kommt eine Begegnung in den Kopf. Dann mache ich mir gleich Notizen – schriftlich auf dem Smartphone oder per Audionotiz. Es passiert oft, wenn ich unterwegs bin. Manchmal nehme ich mir aber auch bewusst „Schreibzeit“ und versuche, in einen Zustand der kreativen Offenheit für sprachliche Bilder zu gelangen. Mein Blick bleibt an Gegenständen hängen und manchmal ist da ein Gefühl wie: Hinter diesem Begriff, der den Gegenstand bezeichnet, steckt mehr. Geh hinein in den Begriff und lote seine Bedeutungsebenen aus, auch die übertragenen. Dann springt plötzlich ein Funke in ein anderes Gehirnareal über, in dem meine Lebensbegegnungen abgespeichert sind, und eine von denen fängt an zu brennen. Das wären so zwei mögliche Beginne von Schaffensprozessen. Sie sind aber vielfältig. Ich finde es sehr spannend und schaue mir gern von außen dabei zu, wie unterschiedlich ich kreativ sein kann, wenn ich es zulasse.
  9. Wie viel Zeit wenden Sie täglich für Ihre Kunst auf?
    Das kommt darauf an, wie stark ich gerade durch meine andere Berufung zeitlich gebunden bin. In den Ferien können das viele Stunden am Tag sein, in Arbeitshochphasen gibt es auch viele schreibfreie Tage, dann werde ich allerdings auch ungeduldig.
  10. Wie gehen Sie mit Schaffenskrisen um?
    Ich bin frustriert, denke, dass es sowieso alles Mist ist, was ich produziere, dass es eine Blödsinnsidee war, mit dem Schreiben anzufangen. Und wenn ich mich genug selbstbemitleidet und einige Tage Pause gemacht habe, in denen ich mir versucht habe zu beweisen, dass es auch ganz gut ohne Schreiben geht, dann kann ich die Lust nicht mehr zurückdrängen, endlich weiterzumachen …
  11. Verfolgen Sie klare Ziele in Ihrer Kunst?
    Meine Literatur ist nicht „engagiert“ in dem Sinn, denn ich lege viel Wert auf Polyvalenz und versuche, eindeutige Aussagen zu meiden. Aber: Mein Gefühl gilt all jenen, die in ihrem Leben an Grenzen stoßen und gestoßen sind (auch selbst geschaffene), die sich falsch fühlen, vielleicht nicht geliebt, die Ungerechtigkeit spüren müssen, sich fürchten, es gilt auch allen, die versuchen (müssen), einen Weg zu finden, damit umzugehen. Darum kreisen viele meiner Texte. Das hat damit zu tun, dass ich bestimmte Erfahrungen selbst gemacht habe, an anderen hatte ich Teil, weil mir Menschen nahestanden. Wenn ich ein Ziel habe, das zugleich irgendwie der Lebenssaft meiner Texte ist, dann ist es Empathie mit den Mitmenschen. (Wenn meine Literatur dadurch ihren Anspruch verliert – siehe Frage 2 -, dann sei’s drum. Jeden Preis zahl ich auch nicht.)
  12. Beschäftigen Sie sich mit Ihrem eigenen Tod?
    Ich würd’s ja gern mit Epikur halten und den Tod für irrelevant halten, solange er einen gerade nicht betrifft (und wenn er dann da ist, dann ist da kein Denken mehr, den er bewegen könnte), aber mein Kopf tut so manches Mal Dinge, die dem, was ich mir vorgenommen habe, widerstreben. Äh, ja, tue ich. Es gibt Schöneres.
  13. Woran glauben Sie und warum (nicht)?
    Ich glaube daran, dass Menschen einander gut sein können und viel Wärme geben gönnen. Ich glaube nicht daran, dass der Mensch dem Menschen ein Wolf ist. Ich glaube, dass Menschen lernen und wachsen wollen. Ich glaube aber auch, dass Wege niemals gerade sind. Ich glaube, dass wir gerade deswegen einander brauchen und stützen müssen.
  14. Wann haben Sie sich das letzte Mal geschämt und warum?
    Eben, als ich an das gedacht habe, was ich eigentlich hätte aufschreiben müssen. An das vorletzte Mal kann ich mich nicht mehr erinnern. Das liegt vermutlich an den hervorragend arbeitenden Verdrängungsmechanismen meiner Psyche
  15. Wie wichtig sind Ihnen Manieren im Alltag?
    Da ich gerade das erste Mal wirklich ernsthaft darüber nachgedacht habe, sind sie mir anscheinend weniger wichtig als viele andere Dinge, über die ich hier schon etwas geschrieben habe.
  16. Welche Ihre Eigenschaften sind Ihnen am wichtigsten?
    Mein schon erwähnter unerschütterlicher Glaube daran, dass Menschen liebenswert sind. Alle schlechten Erfahrungen kann ich verbuchen unter „Ausnahmen gibt es eben immer.“ Ich glaube, man braucht Menschen mit dieser Einstellung, um Gesellschaft auf mehr als nur Vernunftgrundsätze zu bauen – es gibt zu viele Vernünfte, die sich widersprechen, die sind dann ein wackliges Fundament. Mein inneres Kind, das mir hilft, mich niemals zu langweilen, Blödsinn zu denken, zu sagen, zu tun, meine Empathie- und Begeisterungsfähigkeit.

Vielen Dank für die Beantwortung der 16 Fragen, Dana Shirley Schällert!

Prosa und mehr von Dana Shirley Schällert findet ihr hier: Homepage.

Hier gelangt ihr zum Archiv der 16 Fragen mit allen bisher veröffentlichten Ausgaben.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert