Schlagwort-Archiv: Johannes Tosin

Johannes Tosin – Jinx

Es ist das weltweit erste Gebäude, das höher als eine Meile ist. Es umfasst 372 Etagen. Sein Name ist Jinx. Eine Firma ist in ihm untergebracht.
In der Cafeteria in der 324. Etage sitzen während der Mittagspause zwei Angestellte beisammen.

Mara: Es ist nicht so, wie Sie denken.
Ed: Woher wollen Sie wissen, was ich denke?
Mara: Es ist bei allen gleich, wissen Sie, Herr Mueller. Sie sind heute erst den zweiten Tag hier, in dieser Etage und überhaupt bei Blossom Inc. Ich arbeite schon lange hier, ich habe schon viele wie Sie erlebt. Sie denken etwas in der Art von: Wow, das ist toll hier!
Ed: Richtig, das haben Sie mich erwischt. Aber ist es denn ein Fehler, das zu denken?
Mara: Es ist ja auch schön hier, sauber und sonnig. Ich kann nachvollziehen, dass Sie sich anfangs in erster Linie einfach nur wohlfühlen. Sagen Sie, wohnen Sie in der Stadt?
Ed: Tue ich, ja. Warum fragen Sie?
Mara: Ich wohne auch in der Stadt. Es ist schon Jahre her, dass ich von dort die Sonne gesehen habe. Die Luft ist sehr stark belastet und riecht ungesund. Der feine Staub fängt sich im Nebel. Und der Regen, dieser ewige Regen. Er spült den Dreck von den schmutzigen Wolken in den Boden, in den Asphalt und die wenige Erde. Es gibt nur noch zwei kleine Parks. Die Bäume verenden sowie fast alle Blumen. Die Lebenserwartung beträgt kaum 50 Jahre. Wie alt sind Sie denn, Herr Mueller?

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Johannes Tosin – Saunaschinken

„Er isst!“, sagt die BILLA-Mitarbeiterin Frau Schmidtbauer zur Filialleiterin. „Wie?“, fragt sie, „Wer isst was?“ „Der alte Mann dort mit dem zauseligen Bart“, sagt Frau Schmidtbauer, „er hat zuvor ein Laugenstangerl und ein Mohnweckerl gegessen. Jetzt hat er eine Packung Hofstädter Saunaschinken geöffnet, 100 Gramm um 2,19 Euro.“ „2,19 Euro waren es letzte Woche, jetzt kostet er 2,39 Euro“, sagt die Filialleiterin.

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Johannes Tosin – Gotteswerk

Die Menschen waren unzufrieden im Jahr 6026. Im Jahr eins erschuf Gott die Welt, wie allgemein bekannt. Für die Christen entspricht das Jahr 6026 dem Jahr 2022 ist. Die Menschen der ersten Jahre nach der Schöpfung hatten Glück, dass sie die Dinosaurier überlebten. Ihrem grobschlächtigen Kollegen Neandertaler machten sie auch den Garaus. Nun ja, mit ein paar wenigen von ihnen pflanzten sie sich sogar fort. Doch nun war die Erde übervoll von den Menschen. Die meisten lebten in den Städten, die immer weiter anwuchsen, Gigacities, deren Bewohner sich entfremdeten. Es gab immer weniger zu tun. In der langen Freizeit schluckten viele Oxy, hinterher spürten sie nicht mehr, auch sich selbst nicht. Es gab etliche weitere Punkte, die kaum jemandem gefielen.

Kurzum, die Menschen waren unzufrieden, deshalb schickten sie ihren gewählten Vertreter Lollo zum lieben Gott. „Lieber Gott, wir hätten gern ein anderes Leben“, sagte Lollo. „Aha“, sagte der liebe Gott, „wie wäre es euch denn recht?“ „Ja, so wie ganz am Anfang, würde ich sagen“, sprach Lollo. „Wie im Paradies?“, fragte der liebe Gott. „Grundsätzlich schon, ich denke, das wäre ganz in Ordnung für uns“, sagt Lollo. „Dann sei es so“, sprach Gott.

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Johannes Tosin – Der Traum der Wirklichkeit

Wüsst ich nicht, ich hätt´s geträumt,
würd ich denken, es wär wahr.
So klar die Bilder, so logisch der Ablauf.
Aber mit schlechtem Ende.
Ich wachte auf, und alles war wieder in Ordnung.

Bestimmt?
Nein, ich war immer noch im Traum,
dem, der eine Etage höher liegt.
Auch meine Wirklichkeit spielte im Traum.
Ich schlief weiter und wachte nie mehr auf.


Foto: Johannes Tosin

Hier geht es auch zu den 16 Fragen an Johannes Tosin.